Bericht

„Dentists For Africa“, „Zahnärzte ohne Grenzen“ oder auch „Planet Action“: Angebote für humanitäre Hilfseinsätze gibt es auch im zahnärztlichen Bereich so einige. Viele Kolleginnen und Kollegen sind im Laufe ihrer Karrieren sicherlich schon über den ein oder anderen Aufruf zur Hilfe gestolpert oder haben sich dafür interessiert. Was so ein Einsatz jedoch konkret bedeutet, schildern wir in diesem Bericht. Wir, das ist das Team aus den zahnmedizinischen Fachangestellten Michaela Groschke, Susanne Eisenmann und Charlene Ketterl sowie den Zahnärzten Dörte Oesterschulze, Dr. Engelbert Reichhart, Julius Günther, Felix Preiss und Philipp Bilger.

Angefangen hat der Einsatz lange vor dem Abflug mit einem Skype Gespräch. Das Team lernte sich kennen, wichtige Aufgaben wie Kassenwart, Materialbeauftragter, etc. wurden verteilt. Hilfreich war hierbei die Erfahrung unseres Mentors Christian Weber, der bereits an einem Einsatz in Madagaskar teilgenommen hat. Die größte Hürde der Vorbereitung bestand im Beschaffen von Materialien und Spendengeldern. Auch die bürokratische Vorarbeit musste geleistet werden. Hierbei ging es hauptsächlich um Arbeitserlaubnis, Einreisevisum und Impfungen.

Flüge wurden gebucht, Spenden gesammelt, einige Male geskypt und schon war der Tag der Abreise gekommen. Die Flüge gingen über Nairobi in die madagassische Hauptstadt Antananarivo, kurz Tana. Makabererweise wurden wir am Flughafen Nairobi am Gate mit einer Dokumentation über die schlimmsten Flugzeugabstürze der Geschichte „unterhalten“.

In Tana angekommen ging es erst einmal darum, die Koffer mit dem ganzen Verbrauchsmaterial sowie der neuen mobilen Absauganlage unversehrt durch den Zoll zu bringen. Am Flughafen wurden wir abgeholt und nach Soltéc gebracht. Soltéc, eine Berufsschule, gegründet von einem deutsch-madagassischen Verein aus Esslingen, war Basislager und erster Einsatzort. Das „Behandlungszimmer“ wurde startklar gemacht, der Drucktopf-Steri angefeuert. Dann wurden die Pforten geöffnet.

Schon nach den ersten Patienten wurde uns klar, dass uns die Arbeit hier nicht ausgehen wird. Die Mundgesundheit ist schlicht gesagt katastrophal. Reihenextraktionen sind keine Ausnahme, Karies war bei fast jedem Patienten zu finden. Selbst bei sehr jungen Patienten half oft nur noch die Zange. Soweit es möglich war, versorgten wir die Patienten auch mit Composite Restaurationen. Die mobile Einheit wurde hierbei maximal genutzt. Was uns besonders auffiel, war die Tapferkeit der Patienten. Schon die Kleinen legten sich mit erwachsener Miene auf die Behandlungsbank, allenfalls ein Tränchen kullerte die Wange herab.  Zweifel an einer unbeschwerten Kindheit blieben. Viele Patienten kamen in zerrissener, verdreckter Kleidung, Schuhe waren keine Selbstverständlichkeit. Als reicher Europäer bekommt man hier erst einmal einen Kulturschock. Dieser wurde durch den ungebrochenen Optimismus, die Offenheit und Fröhlichkeit der Menschen schnell überwunden. Besitz ist nun mal keine Garantie für Glück.

In Soltéc genossen wir nach dem Arbeiten die ausgeprägte Gastfreundschaft der Mitarbeiter. Angehende Köche verköstigten uns sowohl mit einheimischer Küche als auch schwäbischen Gerichten wie Käsespätzle. Die Unterbringung war, entgegen unserer Erwartung, überraschend gut: Saubere Zimmer, nur vereinzelt Kakerlaken und eine funktionierende Dusche mit warmem Wasser sorgten nach der Arbeit für ein entspanntes Dasein. Wenn am Abend alle Zähne gezogen waren, saßen wir oft noch bei einem kühlen madagassischen Bier oder durften uns beim wöchentlichen Training der örtlichen Volleyballmannschaft in Grund und Boden spielen lassen.

So ging die erste Woche rasend schnell vorbei und das Osterwochenende stand an. Dies bedeutete für uns in erster Linie Sachen packen und eine lange, anstrengende Autofahrt in das 300 Kilometer entfernte Fandriana. Die miserablen Straßenverhältnisse sorgten dafür, dass wir, trotz waghalsiger Überholmanöver, 12 Stunden unterwegs waren. Neben diesem anstrengenden Transfertag hatten wir aber auch zwei Tage frei. Wir besuchten eine Krokodilfarm und ein großes madagassisches Volksfest inklusive eines „Rinderkampfes“ als Hauptattraktion.

In Fandriana hatten wir mit dem ehemaligen Luftwaffengeneral und Arzt Monsieur Johanessa eine ranghohe Begleitung. Dieser wurde in Fandriana geboren und organisierte nun für seine Heimatgemeinde die zahnärztliche Hilfe aus Deutschland. Mit an Bord war außerdem Ernest Kreuzer, der ehrenamtlicher Übersetzer, Organisator und ständiger Ansprechpartner war.

Behandelt wurde in Unterkünften der evangelischen Kirche. Hier schöpften wir unser volles Potenzial aus. Bei ausreichend Platz bauten wir auf der Terrasse für jeden Arzt eine Behandlungsliege auf. Nach einem überraschend ruhigen ersten Tag wurden wir in den darauffolgenden Tagen nahezu überrannt. Schon morgens warteten unzählige Patienten geduldig vor unserem Gartentor. Die Mundgesundheit war auf dem Land noch schlechter als in der Stadt. Ohne Röntgenbilder sorgten eine Reihenextraktion nach der anderen, eine extraorale Fistel sowie eine Radix in Antro für spannende, aber auch lehrreiche Momente. Ein Muss für jeden Studenten!

Zum Abschluss lässt sich sagen, dass wir bei unserem Einsatz viele spannende Erfahrungen gesammelt und wertvolle Arbeit geleistet haben. Bei insgesamt etwa 500 versorgten Patienten zogen wir knapp 1600 Zähne und legten etwa 100 Füllungen. Auch wenn uns das Ergebnis mit Stolz erfüllt, kann man wohl von einem Tropfen auf den heißen Stein sprechen. Fehlende Aufklärung, große Mängel in der Mundhygiene und Zahnbürsten als nicht erschwingliches Luxusgut lassen eine Verbesserung des madagassischen Mundgesundheit in weite Ferne rücken.

Zahnärztliche Hilfe wird auch weiterhin dringend benötigt.

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