Bericht

Geschafft! Es sollte losgehen: Am Frankfurter Flughafen startete unser Einsatz nach Madagaskar. Insgesamt besteht unser Team aus acht approbierten Zahnärztinnen bzw. einem Zahnarzt und einer ausgebildeten Zahnarzthelferin. Namentlich Hannah Butschek, Christina Schnatmeyer, Dr. Inga Weißenborn, Verena Clausen, Sandra Ellßel, Mathias Reinhardt, Christin Hohenberger, Julia Freytag und Martina Kinskofer. Unsere Gruppe teilte sich grob in wiederum zwei Gruppen á zwei Wochen auf. In den ersten zwei Wochen sollten wir zwei völlig neue Standorte an denen bisher noch kein Planet Action Team Mitglied war entdecken und die Gegebenheiten „sondieren“.

Unsere erste Einsatz sollte in einer Schule der Kirchengemeinde FJKM Fiangonan'i Jesoa Kristy eto Madagasikara (Church of Jesus Christ in Madagascar) stattfinden. Monate zuvor wurde der Kontakt durch unseren deutschsprachigen und auf Madagaskar lebenden Tourguide und für jedes Anliegen kontaktierbarer Klaus Heimer hergestellt. Auch die Organisation unserer Unterkunft konnten wir so auf diese Weise durch einen Ortskundigen bewerkstelligen. Wir kamen auf diese Weise in einem für die madagassischen Verhältnisse guten Hotel unter, das außer sauberen Zimmern (allerdings ohne Klotür) noch einen kleinen Garten und ein Restaurant mit vorzüglichen Speisen zu bieten hatte.

Bereits unser erster Ankunftstag wurde zum logistischen Highlight. Unser Transporter für 15 Personen wurde am Soltec-Lager nochmals über und über mit Gepäck beladen, zusätzlich zu unseren mitgebrachten Koffern mit Equipment. In der Schule angekommen lernten wir zunächst den Direktor kennen, der uns in den nächsten Tagen im Restaurant der Nachbarschaft zur Mittagspause jeden Tag wunderbar versorgte. In der wöchentlichen Messe, hielt er außerdem eine Predigt und stellte uns in dieser Messe offiziell als seine Gäste an der Schule vor; die selbstverständlich während der Messe die Ehrenplätze auf einer Bank neben dem Altar bekommen! So bekamen wir zur Begrüßung einen Empfang den wir uns zuvor nicht im Geringsten hätten träumen lassen! Uns wurde der allgemeine Schulsaal, den wir in Deutschland eher als Aula benennen würden zur Verfügung gestellt. Hier konnten wir unsere Dentalstation aufbauen indem wir die „Liegen“ der Patienten durch Tische zusammenschoben und die Tische mit Kopfkissen ausstatteten. Unsere Geräte und Instrumente konnten auch auf Tischen gelagert werden, was den großen Vorteil hatte, das sie sich weit weg vom staubigen Boden befanden, der nichts desto trotz einmal jeden Morgen vom Hausmeister gewischt wurde! Unsere „Steri-Ecke“ stand geschützt  im hinteren Bereich des Raumes mit Desinfektionsbehältern die wir mitbrachten. Anschließend wurden die Instrumente in einem Drucktopf abgekocht, der allerdings ungesichert auf einer Kohleschale auf dem Schulhof stand. Wenn Pause war, scharrten sich also die Kinder um unseren zwischen den Drucktopf. Im Nachhinein sind wir alle froh, dass es tatsächlich keinen Vorfall mit unserem „Steri“ auf dem Schulhof gab… Da die Schule in Madagaskar privat von den Eltern mit einem Schulgeld bezahlt werden muss, war hier der Bedarf an Behandlungen und Aufklärung zur Mundgesundheit zwar vorhanden, allerdings war den Kindern der Gang zum Zahnarzt nicht gänzlich unbekannt und wir verwiesen oftmals auch zur Weiterbehandlung an die Kollegen. Unterm Strich möchten wir  keine kostenlosen Behandlungen anbieten, sondern Menschen eine Behandlung ermöglichen, die sonst nicht die Möglichkeit dazu bekommen.

Den Smog der Stadt, in der es teilweise wirklich bitter arme Menschen gibt die im Müllcontainer auf der Kreuzung nach brauchbaren suchen, ließen wir mit Beginn der zweiten Woche hinter uns. Mit unserem vertrauten Transporter und unwesentlich weniger Gepäck, fuhren wir zum nächsten Einsatzort. In Andasibe, war die Luft sauber, die Pflanzen saftig grün und morgens zum Aufstehen wird man von den unverkennbaren Schreien der unterschiedlichsten Lemuren geweckt.

Am 16.2. folgten dann Julia, Christin, Matthias und Sandra, um die nächsten zwei Wochen Teil des Hilfseinsatzes in Madagaskar zu sein. In der Hauptstadt Antananarivo trafen wir auf Inga, Christina und Hannah und gemeinsam machten wir uns in einem kleinen Reisebus auf den kurvigen Weg nach Ambalavao. Dieser Ort liegt am Rande des Hochlandes an der Schwelle zum sehr trockenen Süden, gehört jedoch noch zur Reis- und Gemüsekammer Madagaskars, als die das sehr fruchtbare Hochland bezeichnet wird. Nach langen Stunden im schwankenden Bus kamen wir am nächsten Tag bei strömendem Regen in Ambalavao an. Die Schwesternschülerinnen und die Nonne Germaine begrüßten uns sehr freundlich, wir nahmen Quartier im angegliederten Wohn- und Schultrakt des Klosters und wurden auch sogleich zum Abendessen abgeholt. Alle Mahlzeiten in dieser Zeit nahmen wir mit den Schwestern ein. Am nächsten Tag richteten wir uns in einem recht dunklen Raum ein, der für die nächsten zwei Wochen unsere zahnärztliche Heimat sein sollte. Viele Koffer wurden ausgepackt und es gelang uns gut, ein übersichtliches Arbeitsfeld zu erschaffen. Die „Behandlungsstühle“ waren vier Tische, die wir mit Laken und Kissen versahen, so dass die vielen kleinen (und später auch großen Patienten) einigermaßen gut liegen konnten. Recht schnell waren wir behandlungsbereit und schon standen die ersten Kinder an der Tür und warteten gespannt. Zunächst hatten wir eine madegassische „Empfangsdame“, die die Patienten verteilte, später übernahmen wir diese Aufgabe jedoch selbst. Wenn es mal notwendig war, versuchte sie auch, zu übersetzen oder die meist sehr ängstlichen Kinder zu beruhigen. Richtige Übersetzungshilfe durch die Nonnen des Klosters hatten wir leider nicht. Die Behandlungen umfassten zumeist Extraktionen, aber durch die mitgebrachte mobile Einheit und Absauganlage konnten wir auch Füllungen legen. Schnell spielte sich so etwas wie Alltag ein und wir arbeiteten alle sehr gut zusammen. Da wir alle über unterschiedlich viel Erfahrung im zahnärztlichen Alltag verfügten (zwei von uns hatten gerade erst Examen gemacht, andere schon einige Jahre gearbeitet), war das „voneinander lernen“ sehr vielfältig und schön. Jede/r hatte Tricks oder Kniffe drauf, die die anderen (noch) nicht kannten und so war dieser Hilfseinsatz auch eine kleine Fortbildung. Wir assistierten uns gegenseitig und besonders auffallend war, wie unglaublich schnell unsere beiden frisch examinierten Kolleginnen Christina und Hannah in die Routine fanden und sehr selbstständig und selbstverständlich arbeiteten. Die Zahl der Patienten war gleichbleibend groß und angesichts des hohen Zuckerkonsums in Madagaskar auch zu erwarten. Erschreckend war vielfach der kariöse Befall bei noch ganz jungen Menschen, so dass wir oft Molaren entfernten, die gerade erst ein paar Jahre diese oder jene Mundhöhle bewohnten. Wir konnten angegliedert auch die Kinder der Vorschule auf dem Gelände besuchen und mussten feststellen, dass nahezu alle „Minis“ zum Frühstück Süßigkeiten auspackten. In solchen Momenten kamen natürlich Fragen auf zur Sinnhaftigkeit solcher Projekte und einziger Trost war uns das Bewusstsein, wenigstens die nicht mehr zu rettenden Zähne entfernt und Schmerzen genommen zu haben. Täglich besuchten wir eine Schulklasse nach der anderen (insgesamt 1800 Schüler) und unternahmen mit ihnen gemeinsam Zahnputztrainings und erklärten, worauf zu achten ist. Etwas verwirrt hat uns in diesen Stunden mit den Kindern, wie gut alle eigentlich über die Theorie zur Karies und Zahnpflege Bescheid wussten. Warum dann trotzdem so desolate Zustände vorzufinden waren, konnten wir uns nur über den Zuckerkonsum und vielleicht auch über den Fakt erklären, dass den Madegassen andere Dinge und Umstände (verständlicherweise) wichtiger sind und mehr Raum in ihrem Leben einnehmen. Jede/r bekam am Ende einer solchen „Unterrichtseinheit“ eine Zahnbürste und Zahncreme geschenkt (dies machte den überwiegenden Teil unseres Reisegepäcks aus). Die Behandlungstage empfanden wir alle als sehr anstrengend und kräftezehrend, andererseits hatten wir durch den guten Kontakt zueinander und die räumliche Enge so eine Art Ferienlagergefühl und das glich viele Unannehmlichkeiten (nicht so schmackhaftes Essen, unsaubere und äußerst einfache Unterbringung, oft kein Wasser zum Duschen und für die Toilette) aus. Energie und Sonne tankten wir auf einem Wochenendausflug in den Bergen einer sehr einsamen Region, der uns auch ein wenig Urlaubsgefühl gab und uns die Ursprünglichkeit Madagaskars zeigte. Die Tier- und Pflanzenwelt dieses Landes ist unglaublich vielfältig und nach diesem Wochenende mitten in der Natur absolvierten wir unsere letzte Woche in Ambalavao mit neuer Kraft und fast spielend. Die Nonnen des Klosters waren freundlich und die meisten auch herzlich, dennoch fühlten wir uns mit ihnen nicht so ganz wohl, da uns Unterstützung (auch sprachlicher Art) fehlte und wir auch ein ungutes Gefühl bekamen, als wir für unsere mehr als einfache Unterkunft viel mehr bezahlen sollten als in einem sauberen Hotel in der Nachbarschaft. Wir konnten nur schwerlich erfassen, was den Nonnen unser Arbeitseinsatz dort bedeutete und was für einen Stellenwert eine ehrenamtliche Arbeit für sie hat. Ein sehr schöner, sehr berührender Abschied wurde uns dennoch von der Schulleiterin und allen Schülern bereitet, alle waren versammelt und wir nahmen bei Musik und viel Beifall Geschenke entgegen. Dieser Moment wird uns allen immer in Erinnerung bleiben, denn die vielen Kinder waren so ehrlich fröhlich und zugewandt. Wieder für zwei Tage reisten wir durch das Hochland und kamen etwas erschöpft in der Hauptstadt an, wo wir alle Abschied feierten. Manche von uns reisten noch weiter in Madagaskar oder auf andere Inseln, manche mussten auch gleich wieder zurück nach Deutschland, um dort in ihrer Praxis wieder den sofortigen Sprung ins so wunderbar warme Wasser unserer möglichen Zahnmedizin zu machen. Den Unterschied in den Behandlungsmöglichkeiten werden wir alle noch lange spüren und dieses Nachwirken macht auch hier die Arbeit irgendwie schöner und vor allem: dankbarer.

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